Keine Krankheit führt zu so vielen Todesfällen in den zivilisierten Ländern wie die Arteriosklerose und die von ihr verursachten Krankheiten. Trotzdem würde kaum ein Patient sagen „Ich habe Arteriosklerose“.
Arteriosklerose bedeutet „Verkalkung“ der Blutgefäße. Bis heute sind nicht alle Prozesse geklärt, die zu einer Arteriosklerose führen. So gab es vor einiger Zeit Schlagzeilen, dass ein Bakterium gefunden worden wäre, das schuld an der Arteriosklerose sei. Dieses Bakterium mag einen gewissen Einfluss haben, man weiß jetzt aber, dass andere Faktoren viel wichtiger sind.
Bevor wir diese Faktoren näher betrachten, ein kurzer Überblick über die Entstehung der Arteriosklerose.
Wie entsteht Arteriosklerose?
Bei jedem Herzschlag pumpt das Herz einen Schwall Blut in die Arterien. Diese erweitern sich unter dem Druck dieses Schwalls, der bis in die entferntesten Körperteile weitertransportiert wird.
So eine Arterie besteht aus mehreren Schichten. Die innerste Schicht, die Intima, wird unter dem Einfluss bestimmter Faktoren durchlässiger, es sammeln sich Flüssigkeit, Zellen und schließlich Kalksalze unter dieser Schicht an. Dadurch wird die Arterienwand steif und nicht mehr dehnbar. Außerdem wird die Schicht unter der Intima immer dicker. Die Verdickung ragt nach innen in das Blutgefäß, das dadurch immer enger wird.
Bis zu einem gewissen Grad kann der Körper arteriosklerotische Gefäßverengungen ausgleichen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, wann der Blutfluss durch das Blutgefäß nicht mehr ausreicht, weil es zu eng geworden ist (solch eine Verengung nennt man eine Stenose). Geht dieser Prozess weiter, ist das Gefäß irgendwann ganz verschlossen. Dies ist ein sehr langsamer Prozess, der oft über Jahrzehnte dauert.
Die Folgen der Arteriosklerose
Das ist schon schlimm genug, oft kommt es aber noch schlimmer: Die Verdickung drückt so auf die innere Wand des Gefäßes, dass diese einreißt. Wenn die Intima einreißt, kommt das Blut mit anderen Schichten des Blutgefäßes in Berührung. Der Körper registriert das als ein Leck, das schnell geschlossen werden muss. Es werden Blutplättchen angelagert, die dieses Leck sofort schließen.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Da es sowieso schon eng ist im Gefäß, wird das Gefäß durch diese Blutplättchen in Sekundenschnelle verschlossen. Man nennt das einen Thrombus.
2. Führen die Blutplättchen nicht sofort zu einem Verschluss, lagern sie lange Zeit an der Gefäßwand, da so ein Riss aufgrund des ständigen Reizes durch die Verkalkung nicht so einfach verschlossen werden kann. Auch dies nennt man einen Thrombus. Hiervon kann der Blutstrom kleine Stückchen abreißen und mitschleppen. So ein kleines Stück (man nennt das Embolus) kann dann an ganz anderer Stelle stecken bleiben und zu einem Verschluss führen.
Beide Formen des schnellen Verschlusses sind die gefürchtetsten Komplikationen der Arteriosklerose. Denn durch diesen schnellen Verschluss wird ein Bereich des Körpers plötzlich nicht mehr durchblutet. Kann der Körper auf langsam entstehende Verengungen oft noch reagieren, indem er das Blut über andere Arterien umleitet, ist dies bei einem plötzlichen Verschluss unmöglich. Dadurch kommt zu wenig Blut am Ziel an, damit zu wenig Sauerstoff. Diesen Vorgang nennt man Ischämie. Stirbt infolge einer Ischämie Gewebe ab, so spricht man von einem Infarkt. Besonders häufig passiert das am Herz (Herzinfarkt) und im Gehirn (Schlaganfall).
Welche Krankheiten kann man durch Arteriosklerose bekommen?
Zwei der gefährlichsten sind im vorhergehenden Abschnitt schon erläutert: Der Herzinfarkt und der Schlaganfall bei einem schnellen Verschluss von Arterien. Solche schnellen Verschlüsse kann es auch an anderen Körperstellen geben, etwa am Auge (mit der Gefahr der Erblindung) oder am Bein (mit unerträglichen Schmerzen und der Gefahr, das Bein zu verlieren).
Aber auch eine langsam fortschreitende Arteriosklerose kann dazu führen, dass die Durchblutung in einigen Gebieten nicht mehr ausreicht. Am Gehirn etwa, wenn sich Arterien nicht schnell verschließen, sondern im Laufe vieler Jahre nach und nach an vielen verschiedenen Stellen kleine Arterien zugehen und somit kleine Hirnbezirke absterben. Dies macht dann nicht die Symptome eines Schlaganfalls, sondern wird zunächst gar nicht bemerkt. Aber im Laufe der Jahre stirbt immer mehr Hirnsubstanz ab und letztlich entwickeln diese Patienten eine Demenz (das bedeutet ein Abbau des Verstandes).
Ein anderes Beispiel hierfür ist das „Raucherbein“: Die immer schlechter werdende Durchblutung des Beines führt zum allmählichen Absterben des Beines. Dieses muss dann amputiert werden, um den Rest des Körpers zu retten.
Warum entsteht Arteriosklerose?
Ein gewisses Maß an Arteriosklerose ist normal und mit dem Prozess des Alterns verbunden. Dann schreitet die Arteriosklerose aber so langsam fort, dass man zu Lebzeiten kaum einen Schaden dadurch hat.
Bedingt durch eine Reihe von Faktoren – die sogenannten Risikofaktoren – entsteht heute bei vielen die Arteriosklerose aber wesentlich früher. Es konnte inzwischen sogar bei Kindern, die viel Fast Food essen, Arteriosklerose festgestellt werden!
Die Risikofaktoren, die zu einer beschleunigten Arteriosklerose führen, sind gut bekannt:
- Rauchen
- Bluthochdruck
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Übergewicht
- Erhöhter Cholesterinspiegel
- Bewegungsmangel
- Stress
- Anti-Baby-Pille
Manche dieser Faktoren bedeuten ein sehr hohes Risiko (wie z. B. Rauchen, hoher Cholesterinspiegel und Diabetes), bei anderen Faktoren ist das Risiko nicht ganz so stark erhöht (aber trotzdem erhöht, z. B. Stress oder Bewegungsmangel).
Jeder dieser Faktoren allein bedeutet für sich schon ein erhöhtes Risiko für den Patienten. Kommen mehrere dieser Faktoren zusammen, potenziert sich das Risiko (das heißt, es verdoppelt oder verdreifacht sich nicht nur, sondern kann 4-, 8- oder 16fach erhöht sein!)
Ein Wort zum Homocystein: Neue Studien zeigen, dass ein erhöhter Homocysteinwert im Blut ebenfalls ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Arteriosklerose ist. Eher aber als Anzeiger eines Risikos, nicht als selbst schadend. Die Wertigkeit dieses Risikofaktors wird aber noch untersucht.
Was kann man gegen Arteriosklerose tun
Kurz gesagt: Nichts.
Wenn sich erst einmal eine Arteriosklerose gebildet hat, ist dieses kaum rückgängig zu machen (der Vergleich mit Verkalkungen in der Küche hilft hier weiter: Nur mit Säuren oder roher Gewalt bekommt man diese vom Heizstab der Waschmaschine wieder runter).
Aber man kann die Bildung einer vorzeitigen Arteriosklerose verhindern (oder – wenn diese bereits vorhanden ist – das Fortschreiten der Arteriosklerose aufhalten. Dies ist besonders wichtig für alle, die schon einen Herzinfarkt hatten).
Die Lösung ist hier denkbar einfach: Das Meiden der oben erläuterten Risikofaktoren. Keines dieser Risikofaktoren ist schicksalhaft. Man kann sie alle gut beseitigen (wie z. B. das Rauchen) bzw. behandeln (wie z. B. der Diabetes).
Und das bedeutet: In der Regel ist eine vorzeitige oder verstärkte Arteriosklerose nicht als Schicksal anzusehen, dem man hilflos gegenübersteht, sondern hausgemacht.
Und wenn man das weiß, ist es besonders tragisch, dass es so viele Herzinfarkte und Schlaganfälle gibt und diese immer mehr zunehmen und immer jüngere Menschen betreffen…
Am Schluss aber noch ein kleiner Hinweis, um Einseitigkeit vorzubeugen: Ein paar Sätze höher steht „In der Regel…“ Das bedeutet, es gibt auch Arteriosklerosefälle, die schicksalhaft sind. Und: Arteriosklerose ist zwar die wichtigste Ursache für Schlaganfälle oder Herzinfarkte, aber nicht die einzige. Damit wäre die Aussage an einen Betroffenen: „Du hast ja selber Schuld…“ nicht nur wenig hilfreich, sondern öfter auch falsch!
Umgekehrt ist es sinnvoller: Das Wissen um diese Hintergründe kann für jeden Leser ein Anlass sein, über seine Risikofaktoren nachzudenken (oder diese – so er sie nicht kennt – z. B. im Rahmen eines Check-Up abklären zu lassen) und sein persönliches Risiko zu verkleinern. Eine Vermeidung bzw. Behandlung dieser Risikofaktoren ist der beste Weg im Kampf gegen Herzinfarkt und Schlaganfall.